Im Gespräch
Anlässlich der Lancierung von C33 im Januar 2024 hat Remi Buchschacher, Chefredaktor GreenEstate Report mit Marloes Fischer, Vorstandsmitglied von C33 über das Projekt gesprochen. Das gesamte Interview können Sie hier nachlesen oder direkt zur gesamten Ausgabe des GreenEstate Report gehen.
Auszug vom 09.02.2024, Green Estate Report #10, Seite 25-27
Die Bauindustrie habe es in der Hand, durch die Förderung von Wiederverwendung und -verwertung das Abfallaufkommen signifikant zu reduzieren, sagt Marloes Fischer vom Verein C33. Der «Circular Construction Catalyst 2033» (C33) will die Schweizer Koordinationsstelle für zirkuläres Bauen für alle Akteure im Hoch- und Tiefbau werden.
C33 ist die neue Schweizer Koordinationsstelle für zirkuläres Bauen für alle Akteure im Hoch- und Tiefbau. Mit C33 wollen Sie einen Beitrag leisten, bis spätestens 2033 zirkuläres Bauen als neues Normal zu etablieren. Was ist darunter zu verstehen?
Marloes Fischer: Zirkuläres Bauen im Sinne von C33 ist die Entwicklung, Nutzung und Wiederverwendung von Gebäuden, Flächen und Infrastrukturen, ohne die natürlichen Ressourcen unnötig zu verbrauchen, die Umwelt zu verschmutzen und die Ökosysteme zu beeinträchtigen. Es wird in einer Art und Weise gebaut, die wirtschaftlich sinnvoll ist und zum Wohlergehen von Menschen und Tieren beiträgt. Das Ziel von C33 ist erreicht, wenn diese Praktiken bis spätestens 2033 in der Schweiz und Liechtenstein gängige Geschäftspraxis und bei grossen Bauherren Standard in ihren Bestellungen sind.
In der Schweiz entfallen laut Bundesamt für Umwelt (BAFU) auf Aushub- und Ausbruchmaterial aus der Bautätigkeit knapp zwei Drittel des gesamten Abfallaufkommens (57 Mio. Tonnen) und auf den Rückbau von Gebäuden, Strassen und Bahntrassen ein Fünftel (17 Mio. Tonnen). Wie kann diese grosse Zahl gesenkt werden?
Das hohe Aufkommen an Aushub-, Ausbruchmaterial und Rückbaumaterial stellt eine Herausforderung und gleichzeitig einen enormen Hebel dar. Die Bauindustrie hat es in der Hand, unter anderem durch die Förderung von Wiederverwendung und -verwertung, den Einsatz und die Ortsbestimmung von nachhaltigen Baumaterialien sowie effizienteren Bauverfahren das Abfallaufkommen signifikant zu reduzieren. Bauprojekt für Bauprojekt. Doch das eigentliche Potenzial liegt in der Kooperation der Akteure entlang der Wertschöpfungskette. Auf Basis eines koordinieren Austauschs kann Wissen und Erfahrung aus der praktischen Umsetzung ausgetauscht und das erforderliche Fachwissen für zirkuläres Bauen aufgebaut werden. Damit fliessen Informationen über Best Practices und innovative Technologien schneller. Koordinierung bedeutet Beschleunigung – dies fördert C33.
Damit die Bereitschaft und das Engagement der Bauindustrie, die Bewegung in Richtung Zirkularität mitzugestalten, bestmöglich und branchenweit zur Wirkung gebracht werden kann, gehen sie mit C33 den Weg der Gemeinnützigkeit. Nimmt die Zahlungsbereitschaft der Branche ab?
Durch den gemeinnützigen Ansatz von C33 wird eine neutrale und branchenübergreifende Zusammenarbeit gefördert, die nicht von direkten finanziellen Anreizen abhängig ist. Dennoch ist die finanzielle Unterstützung ein wichtiger Aspekt für die Umsetzung der C33-Initiativen. Die positive Resonanz und das Engagement der Branche zeigen, dass ein starkes Interesse an der Umsetzung von Zirkularität besteht, was eine positive Auswirkung auf die Bereitschaft an der Mitwirkung haben sollte. Über das Gefäss eines Vereins setzt C33 ein klares Zeichen in die Branche, dass es hier um die Erreichung von Zielen geht, die der Branche und der Schweiz helfen, Ressourcen zu schonen und nationale Klimaziele zu realisieren. Diese Message ist bei den Akteuren angekommen und der Verein C33 freut sich nun auf viele Mitglieder.
Welche Haupthebel haben Sie primär für die Förderung des zirkulären Bauens identifiziert?
C33 ist eine Initiative der Branche. So waren es auch Vertreterinnen und Vertreter der Bau- und Immobilienbranche, die im Kickoff-Workshop im Oktober 2023 vier Haupthebel diskutiert haben: (1) Marktentwicklung, (2) Messbarkeit, (3) Gesetzgebung, Normen und Regulierung sowie (4) Sensibilisierung und Wissensaufbau. Über diese Haupthebel kann ein umfassendes System für zirkuläres Bauen geschaffen werden, damit die Branche ressourcenschonender agieren kann. Damit das möglich wird sind verschiedene Themenfelder von Expert:innen aus der Branche identifiziert worden, die es nun gilt, zu priorisieren und gemeinsam anzugehen. Dazu gehören unter anderem die Definition zirkulärer Beschaffungsprozesse, Zirkularität und ihre Mehrwerte messbar machen, Fragen zur Herstellerverantwortung bis hin zur Entwicklung eines Learning Network.
Nun gibt es bereits weitere Organisationen, die sich mit der Kreislaufwirtschaft in der Schweiz beschäftigen. Wie grenzen Sie sich mit C33 von Madaster und Circular Hub ab?
C33 schafft Transparenz über bestehende Initiativen wie Madaster und Circular Hub und viele andere mehr. C33 ist die neutrale Koordinationsstelle, die Wissen teilt, bestehende Aktivitäten verbindet und so die Resilienz der Branche stärken kann. Im Gegensatz zu Ansätzen und anderen Initiativen von Unternehmen liegt der Fokus von C33 auf der Schaffung einer umfassenden Wissensgrundlage für die Umsetzung des zirkulären Bauens.
Wie hat die Branche bisher reagiert?
Die Reaktion der Branche auf C33 war bislang sehr positiv. In der Setup-Phase letztes Jahr bekamen wir sehr deutliches Feedback der Branche: es braucht eine zentrale und neutrale Anlaufstelle wie C33, die alles daransetzen muss, Doppelspurigkeit und Ineffizienzen zu vermeiden. Wie erreichen wir das? Durch Transparenz von Wissen und Kompetenzen über das Sammeln, Aufbereiten und Teilen von Erfahrungen aus konkreten Projekten. Über 40 Akteure haben ihre Bereitschaft zur Mitarbeit bekundet und aus dem Kickoff-Workshop im Oktober 2023 nehmen wir mit, dass es ein deutliches Interesse und Engagement für die Thematik und den Weg von C33 gibt, gemeinsam das zirkuläre Bauwesen in der Schweiz zu gestalten.
Ohne wissenschaftliche Unterstützungen und Innovationen geht es nicht. Welche Forschungsinstitutionen unterstützen Sie?
C33 steht allen Interessierten offen. Partnerschaften mit der Wissenschaft und Innovationsstreibern sind wichtig, um wissenschaftliche Erkenntnisse und Innovationen in die Praxis zu bringen. Gleichzeitig fördert die Koordinierung von Wissen und Erfahrungen aus der Praxis mit der Wissenschaft die Schaffung von Grundlagen für messbare und sichtbare Fortschritte im Bereich des zirkulären Bauens. Renommierte Forschungsinstitutionen wie das CEA-Lab der ETH Zürich, das sich auf kreislauffähiges Engineering in der Architektur fokussiert, unterstützt C33 seit Anbeginn. Mit weiteren Institutionen sind wir aktuell in der Ausgestaltung konkreter Projektideen und hoffen, darüber in Kürze sprechen zu können.
Für viele Akteure ist die Kreislaufwirtschaft noch nicht fassbar und sie setzen immer noch stark auf erprobtes Baumaterial. Wie kann zirkuläres Bauen in der Praxis messbarer und sichtbarer gemacht werden?
Damit zirkuläres Bauen greifbar wird, gilt es Transparenz zu schaffen. Transparenz im Bau bedeutet genau zu wissen, welches Material in welcher Qualität wo in einem Gebäude steckt und wie es in einem weiteren Nutzungszyklus wiederverwendet werden kann. Mit jedem Bauprojekt, das diese Transparenz aufweist, entsteht Wissen und Erfahrungswerte im zirkulären Bauen und dem Einsatz kreislauffähigen Materials. Wenn ich messe, kann ich die Kreislauffähigkeit meines Gebäudes verbessern. Standards und Indikatoren für Messbarkeit helfen der der gesamten Branche schneller in Richtung Zirkularität zu gehen. Durch die Schaffung einer klaren und nachvollziehbaren Datengrundlage sowie der Förderung von Pilotprojekten wird die Praxis des zirkulären Bauens sichtbarer und nachweisbar effektiver gemacht. Dies macht C33 transparent.
Interview: Remi Buchschacher
Der «Circular Constrution Catalyst 2033» (C33) ist die neue Schweizer Koordinationsstelle für zirkuläres Bauen für alle Akteure im Hoch- und Tiefbau. C33 dient als neutrale Anlaufstelle für Informationsaustausch, Verbindung bestehender Aktivitäten und Teilen von Wissen.
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